Verhaltensverordnung

Ein kleiner Ratgeber für Wiener Kaffeehaus-,
Restaurant- und andere Gaststättenbesucher

I. Grüßen Sie den Herrn Ober freundlich, es ist eine Geste der Gastlichkeit die ihnen Herr Ober auch zu Teil werden läßt.
II.
Wenn Sie den letzten freien Tisch in einem voll besetzten Lokal haben wollen, obwohl dieser reserviert ist – ACHTUNG – ein Herr Ober ist nicht bestechlich.
III.
Herr Ober ist “unbestechlicher” Trinkgeldnehmer.
IV.
Versuchen Sie nie eine Speise, die Sie nicht kennen, zu bestellen, zumindest nicht dann, wenn Sie nicht wissen wie man sie richtig ausspricht.
V.
Vermeiden Sie den Ausdrücke “Tunke”, man wird Sie besser verstehen wenn Sie “Soße” bestellen.
VI.
Bezeichnen Sie Klöße nicht als “Klöße”, sondern als “Knödel”.
VII.
Wenn Sie “Spätzle” haben wollen, bestellen Sie “Nockerl”.
VIII.
Es ist auch bekannt, daß in Österreich “Tomaten” “Paradeiser” sind, also richten Sie sich danach.
IX.
Herr Ober wird Sie besser verstehen wenn Sie die “Aprikose” als “Marille” bezeichnen.
X.
Um Mißverständnisse zu vermeiden ist es auch einfacher anstatt “Apfelsinensaft” “Orangensaft” zu bestellen.
XI.
Erkundigen Sie sich nicht wonach Haifischsteak schmeckt. Oder können Sie erklären wonach eine Erdbeere schmeckt?
XII.
Wenn Sie sich eine Telefonmünze von Ihrem Herrn Ober borgen, geben Sie sie auch zurück.
XIII.
Fragen Sie den Herrn Ober nicht wie spät es ist wenn er beide Hände voll hat. Er fällt nicht darauf herein.
XIV.
Beschweren Sie sich nicht beim Herrn Ober wie schlecht das Lokal ist, wenn Ihnen nur das Essen nicht geschmeckt hat. Herr Ober hat nicht gekocht.
XV.
Beurteilen Sie die Küche nicht nach dem Gewicht des Koches. Es ist ein Irrglaube, daß ein guter Koch dick sein muß.
XVI.
Beschweren Sie sich nicht über die schlechte Küche nachdem Sie den Teller bis auf den letzten Bissen leer gegessen haben.
XVII.
Versuchen Sie beim Italiener nicht italienisch zu sprechen, wenn Sie nicht italienisch können.
XVIII.
Sprechen Sie im Gourmet Restaurant nicht französisch. Sie könnten sich blamieren.
XIX.
Sprechen Sie den Herrn Ober mit “Herr Ober” an, nicht mit Hallo, Sie, Du, He.
XX.
Schnippen Sie nicht mit den Fingern nach dem Herrn Ober. Die Sklaverei wurde schon 1861 abgeschafft.
XXI.
Versuchen Sie auch nicht mit diversen Zischlauten die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wenn Sie rasch bedient werden wollen.
XXII.
Beschweren Sie sich nicht über warmes Bier. Wenn Sie etwas kaltes wollen müssen Sie Kaffee bestellen.
XXIII.
Beschweren Sie sich nicht über den Sprung in der Tasse, daran sehen Sie wie stark der Kaffee ist.
XXIV.
Fragen Sie den Herrn Ober nicht um eine “schönen Tisch”, es sind alle entweder rund oder viereckig.
XXV.
Fragen Sie beim Italiener niemals nach französischen Landwein.
XXVI.
Bestellen Sie beim Griechen keinen Falls türkischen Kaffee.
XXVII.
Sushi gibt es nur beim Japaner und nicht beim Chinesen.
XXVIII.
Es zeugt zwar nicht von Kulinarität, aber der Hamburger schmeckt doch bei Mc Donald am besten.
XXIX.
Trinken Sie mit dem Herrn Ober nicht um die Wette. Er muß noch arbeiten.
XXX.
Fragen Sie bei einer Beschwerde nicht nach dem Chef. Der Herr Ober könnte der Chef sein.
XXXI.
Beginnen Sie Ihren Lokalbesuch nicht mit einer Reklamation über die lange Wartezeit, dem Herrn Ober steht es frei ob er Sie bedienen wird oder nicht. Insbesondere dann wenn er der Chef ist.
XXXII.
Ist er nicht der Chef berücksichtigen Sie bitte, daß Herr Ober auch nur zwei Hände hat.
XXXIII.
Zwei Füße tragen ihn nicht schneller als sie es ohnehin schon tun. Hätte er Räder, wäre er kein Herr Ober geworden.
XXXIV.
Akzeptieren Sie, daß ihm auch nur ein Kopf zur Verfügung steht.
XXXV.
Ist das Lokal hoffnungslos überfüllt nehmen Sie zur Kenntnis das Herr Ober auch schon müde sein könnte und ihr Bier oder dergleichen einfach vergessen hat.
XXXVI.
Stellen Sie niemals die Frage “Herr Ober haben Sie mein Bier (oder dergleichen) vergessen?”, die Antwort ist in jedem Falle “Nein!”
XXXVII.
Werden Sie nett, freundlich und rasch bedient, sagen Sie es dem Herrn Ober, er freut sich sicher darüber.
XXXVIII.
Vermeiden Sie eine Beanstandung über eine Mücke im Bier, speziell wenn Sie unter freien Himmel sitzen. Gegen die Natur ist Herr Ober machtlos.
XXXIX.
Füttern Sie im Schanigarten kein Vögel, sie könnten frech werden und sich in Ihren Teller setzen.
XL.
Halten Sie Kinder und Hunde an der Leine. Denn wenn sie im Spiel mit dem Herrn Ober kollidieren könnten sie mit heißer Suppe übergossen werden.
XLI.
Und wenn es doch passiert geben Sie nicht dem Herr Ober die Schuld.
XLII.
Achten Sie darauf, daß Ihr Hund den Herrn Ober nicht beißt. Der Leidtragende sind Sie, wenn Sie nicht mehr bedient werden.
XLIII.
Wenn Sie in Wien eine Fledermaus auf der Speisekarte finden, so ist das nicht der Vampir sondern eine Altwiener Rindfleischspezialität.
XLIV.
Ordern Sie keine Soße (Tunke) zum Wienerschnitzel, Sie brechen Herrn Ober das Herz damit.
XLV.
Verkneifen Sie sich auch die Marillenmarmelade (Aprikosenkonfitüre) zum Wienerschnitzel. Wenn schon Marmelade, dann zumindest Preiselbeer.
XLVI.
Sagen Sie dem Herrn Ober niemals er “Muß” ihnen Geld wechseln, zu diesem Zwecke ist er nicht da. Aber mit dem Zauberwort “Bitte” werden Sie auf keinen Widerstand stoßen.
XLVII.
Ersuchen Sie Herrn Ober “höflich” ein Taxi zu rufen wenn Sie eines benötigen, dann wird er Ihren Wünschen gerne nachkommen.
XLVIII.
Es wird Ihnen auch kein Stein aus der Krone fallen, wenn Sie den Herrn Ober “freundlich” nach einer Zeitung fragen. So kommen Sie auch schneller zum Lesen.
XLIX.
Lies nie mit dem Finger auf der rechten Seite der Speisekarte.
L.
Beklagen Sie sich nicht darüber wie teuer der Kaffee ist. Herr Ober ist nicht dafür verantwortlich.
LI.
In Gruppen ist es ratsam Sammelbestellungen aufzugeben. So ärgern Sie Herr Ober nicht, werden rascher bedient und sind am Ende selbst zufriedener.
LII.
Bestellen Sie im Wiener Kaffeehaus nicht “Kafffe” sondern “Kafeee”, wenn Sie nicht sofort als Tourist entlarvt werden wollen.
LIII.
Auf keinen Fall sollten Sie “Quark” zum “Topfen” sagen.
LIV.
Ist zu wenig Obers in Ihrem Kaffee und Sie möchten mehr Obers, dann fragen Sie nach mehr “Obers” und nicht nach “Sahne”.
LV.
Gegen eine trockene Sachertorte hilft “Schlagobers”, nicht “Schlagsahne”.
LVI.
Ist sie noch immer zu trocken trinken Sie eine “Portion Kafeee” dazu, nicht ein “Kännchen Kafffe”.
LVII.
In Wien ist ein “Berliner” ein “Krapfen”.
LVIII.
“Topfenkolatsche” bleibt Topfenkolatsche und nicht “Quarktasche”.
LIX.
Es ist zwar befremdend aber “Wienerli” sind in Wien “Frankfurter”.
LX.
Bestellen Sie im echten Wiener Kaffeehaus keine “Kaisermelange”, zumindest dann nicht, wenn Sie in Ihrem Kaffee keinen Eidotter finden wollen.
LXI.
Präzisieren Sie im Wiener Kaffeehaus die Bestellung “Einspänner”. Herr Ober bringt Ihnen vielleicht anstatt der gewünschten Kaffeespezialität die Hälfte eines Paares Frankfurter. (Wird ebenfalls als Einspänner bezeichnet)
LXII.
Präzisieren Sie im Wiener Kaffeehaus die Bestellung “Einspänner”. Auch dann wenn Sie nicht wollen, daß Herr Ober einen Fiaker für Sie bestellt. (Auch eine Kutsche die von nur einem Pferd gezogen wird ist ein Einspänner.)
LXIII.
Präzisieren Sie weiters, wenn Sie einen “Fiaker” bestellen, daß Herr Ober weiß ob er ihnen eine Kutsche bestellen soll oder ob Sie einen Einspänner mit Kirschwasser trinken wollen.
LXIV.
Habe Sie keine Angst davor einen “Maria Theresia” zu bestellen. Herr Ober wird ihnen nicht die Gebeine der ehem. österreichischen Kaiserin vorsetzen, sondern eine Kaffeespezialität.
LXV.
Desgleichen gilt für Franziskaner und Kapuziner, die ebenfalls Kaffeespezialitäten sind. Es wird kein Mönch vor ihnen erscheinen.
LXVI.
Herr Ober wird den Kaffee nicht über Sie gießen und auch nicht rückwärts gehen wenn Sie “Kaffee verkehrt” bestellen. Es ist einfach mehr Milch als Kaffee in der Tasse.
LXVII.
In Wien haben Sie auch die Möglichkeit ein “Séparée” zu bestellen, ohne mit moralischen Blicken gestraft zu werden. Lediglich Kaffee und Milch werden separiert serviert.
LXVIII.
Es ist nicht erforderlich, daß Sie eine “schöne” Tasse Kaffee bestellen, zumindest dann nicht, wenn Sie guten Kaffee meinen.
LXIX.
Das Glas Wasser das ihnen Herr Ober mit ihrem Kaffee bringt ist zum Trinken, nicht zum Hände waschen!
LXX.
Bitten Sie den Herrn Ober niemals um eine “schnelle” Tasse Kaffee, zumindest nicht, wenn Sie in einem Wiener Kaffeehaus sitzen, denn die Wiener Gemütlichkeit ist sprichwörtlich.
LXXI.
Erkundigen Sie sich nicht danach welche Torten es gibt, sondern welche Ihnen Herr Ober anbieten kann.
LXXII.
Bitten Sie niemals nach dem Rezept des soeben Gegessenem. Es gibt in ganz Wien nur Geheimrezepte.
LXXIII.
Obwohl immer mehr Rücksicht auf Nichtraucher genommen wird, gibt es in keinem Schanigarten eine Nichtraucherecke.
LXXIV.
Beim Heurigen wird, wie der Name schon sagt “Heuriger” ausgeschenkt und nicht “Jungwein”.
LXXV.
Die übliche Menge die getrunken wird ist ein “Vierterl” und nicht ein “Schoppen”.
LXXVI.
Wenn Sie ein Viertel Heurigen (Schoppen Jungwein) bestellen verziehen Sie nach dem Kostschluck nicht das Gesicht. Der Heurige ist nicht “sauer”, sondern “resch”.
LXXVII.
Ist Ihnen der “Heurige” zu “resch” versuchen Sie den “Alten”.
LXXVIII.
Es gibt keine Rebsorte für “Heurigen”. Es ist ein “gemischter Satz”.
LXXIX.
Ein “Cuvee” ist etwas anderes als ein “gemischter Satz”
LXXX.
Sie können Ihren Wein dann natürlich mit “Mineralwasser” mischen, nicht mit einer “Selters”.
LXXXI.
Eines der beliebtesten Getränke beim Heurigen ist nicht die “Schorle”, sonder der “G’spritze”.
LXXXII.
Beim Heurigen gibt es kein “Eisbein”, nur “Stelze”.
LXXXIII.
Als Beilage bestellen Sie “Erdäpfel” und nicht “Kartoffeln”.
LXXXIV.
Versuchen Sie nicht beim Heurigen Bier zu bestellen. Bei einem echten Heurigen gibt es nur Wein.
LXXXV.
Wenn Sie vor dem nach Hause gehen oder nach zu reichlichem Weingenuß noch Kaffee trinken wollen, werden Sie beim Heurigen ebenfalls Pech haben.
LXXXVI.
Geben Sie nicht nur der Musik, sondern auch Herrn Ober Trinkgeld. Er trinkt zumindest genau so gerne wie die Musiker.
LXXXVII.
Fragen Sie den Herrn Ober nicht ob er Trinkgeld nimmt. Geben Sie einfach Trinkgeld.
LXXXVIII.
Fragen Sie den Herrn Ober nicht wieviel Trinkgeld er nimmt, zumindest dann nicht, wenn Sie seiner Forderung nicht nachkommen wollen oder können.
LXXXIX.
Den Herr Ober auf ein Getränk einzuladen ist nicht das gleiche wie ihm Trinkgeld geben.
XC.
Seien Sie Herrn Ober nicht böse wenn er leicht beschwipst ist. Dann nämlich, ist er von sehr vielen Gästen auf ein Getränk eingeladen worden.
XCI.
Sehr geehrte Damen, begrapschen Sie den Herrn Ober nicht.
XCII.
Sehr geehrte Herren, begrapschen Sie weibliches Servierpersonal nicht. (Gilt auch für den Herrn Ober)
XCIII.
Danken Sie dem Herrn Ober für die freundliche Bedienung, er müßte nicht freundlich sein.
XCIV.
Haben Sie keine Scheu davor an ihrem Tisch alles offen auszusprechen, auch wenn Herr Ober anwesend ist. ärzte, Priester, Rechtsanwälte und der Herr Ober unterliegen der Schweigepflicht.
XCV.
Verzeihen Sie dem Herrn Ober wenn er Sie trotz allem nicht versteht, er spricht vielleicht mehrere Sprachen, aber Schwäbisch und Plattdeutsch kann er leider nicht.
XCVI.
Halten Sie dem Herrn Ober zu Gute, daß er versuchen wird sich mit Ihnen zu verständigen. Sei es mit Pantomime, händeringendem Deuten oder mit Fotografien der Tiere dessen Fleisch Sie gerade essen.
XCVII.
Gönnen Sie dem Herrn Ober eine Rauchpause.
XCVIII.
Halten Sie die Sperrstunde ein. Herr Ober hat auch ein Geschlechtsleben.
XCIX.
Den Herrn Ober können Sie mit jedem Problemchen und Wehwehchen konfrontieren, er wird immer einen Ausweg finden.
C.
Danken Sie Gott das es den Herrn Ober gibt.

Schlußwort

Denken Sie darüber nach, lassen Sie es wirken, schlafen Sie eine Nacht darüber und beherzigen Sie die kleinen Ratschläge, wenn Sie das nächste Mal in einem Restaurant, Kaffeehaus oder in Ihrer Stammkneipe sitzen. Im Speziellen, wenn es an den Weihnachtsfeiertagen, in der Silvesternacht, am Ostersonntag oder an sonst irgendeinem Wochenende, an einem Feiertag, zum Muttertag, oder zu mitternächtlicher Stunde sein sollte, zu einer Zeit also, wo Sie schon lange Ihre Freizeit genießen.

Es verbleibt Ihr, Ihnen Prost,
Mahlzeit und viel Spaß
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